Nachrichten

17.03.2006

"Je mehr Einsprüche, umso besser"

Böblingen/Sindelfingen: Anwohner der Autobahn beraten, wie sie sich gegen mehr Lärm wehren wollen und schalten einen Anwalt ein

Von Chefredakteur Hans-Jörg Zürn

Professionelle Unterstützung kauft die Bürgerinitiative "Leise A 81" ein. Rechtsanwalt Dr. Armin Wirsing soll sechs Bürger im Kampf um einen besseren Lärmschutz vertreten und diese Einwendungen als Muster für weitere Einsprüche zu Verfügung stellen. Die Anwohner fürchten noch mehr Krach, wenn die Autobahn zwischen Böblingen und Sindelfingen auf sechs Spuren ausgebaut wird.

Derzeit läuft das Planfeststellungsverfahren für dieses Projekt. Die rund 10 000 Anlieger vor allem in den Wohngebieten Goldberg und Viehweide auf Sindelfinger Seite und Unteres Lauch/Galgenberg in Böblingen sind mit den Vorschlägen der Planer überhaupt nicht zufrieden. Bis zu sechs Meter hohe Lärmschutzwände und Flüsterasphalt sollen den Krach mindern, wenn künftig täglich im Schnitt 120 000 Fahrzeuge über die ausgebaute Autobahn rollen.

"Dass die Planer nur rechnen und nicht messen, ist rechtlich zwar richtig", sagte Dr. Thorsten Breitfeld (Bild: Stampe/A), Sprecher der Bürgerinitiative "Leise A81" auf einer Anwohnerversammlung in der Aula des Böblinger Albert-Einstein-Gymnasiums. Für besonders ärgerlich hält er, dass bei solchen Projekten die neue Trasse und die Veränderungen isoliert betrachtet werden. "Bei uns kommt Lärm aus verschiedenen Quellen wie etwa auch der S-Bahn an," so der Diplom-Ingenieur: "Da hilft es uns wenig, wenn eine sechsspurige Autobahn für sich alleine die Grenzwerte einhalten würde, insgesamt aber der Lärmpegel ständig über dem zulässigen Maß liegt."

Ratschläge für die Anlieger

Die Anwohner können in den nächsten Wochen Einwendungen gegen die Vorschläge der Planer einlegen. Dabei werden sie von Dr. Armin Wirsing unterstützt. Der Rechtsanwalt aus Stuttgart gilt als Spezialist für Verfahrensrecht und gab schon einmal erste Ratschläge: "Sie müssen klar formulieren, wo der Schuh drückt und möglichst auch Vorschläge machen, was zu tun ist."

Sehr genau seien die Ausgangswerte der Planer zu prüfen, auf denen ihre Berechnungen aufbauen. Keine Hoffnung machte der Anwalt für einen besseren Schutz der Menschen, im Freien: "Lärmschutz auf Terrasse oder Balkon wäre wohl nicht in einem verhältnismäßigen Rahmen zu schaffen. Allerdings ist zu prüfen, ob in diesen Fällen Anspruch auf Entschädigung besteht."

Mieter und Eigentümer könnten beide Einsprüche einlegen und sollten diese Möglichkeit nutzen: "Je mehr Einwendungen eingehen, umso besser ist es." Über 600 waren es in der ersten Runde des Verfahrens. Wichtig sei auch, offizielle Stellen zu Reaktionen zu bewegen: "Es hätte großes Gewicht, wenn sich die Städte Böblingen und Sindelfingen mit dem Briefkopf ihrer Oberbürgermeister zu Wort melden würden."

Keine Hoffnung sollten sich vor allem die Besitzer von Häusern und Wohnungen machen, was den Wert ihrer Immobilien betrifft: "Wertminderung können sie nicht geltend machen." Auf keinen Fall sollten die Anwohner abwarten: "Was man in so einem Verfahren zum jetzigen Zeitpunkt nicht durchsetzt, wird man später nicht mehr bekommen. Und wer die Abgabefrist versäumt, wird nicht mehr gehört."

"Die Kriegskasse füllen"

Dr. Wirsing soll jetzt sechs Anwohner vertreten. Diese Einwendungen werden gleichzeitig allen anderen zur Verfügung gestellt als Vorlage. Gut 6000 Euro wird das kosten. "Dafür müssen wir unsere Kriegskasse füllen", so Dr. Breitfeld, der selbst mit etwa 400 Euro in Vorlage ging. Die etwa 250 Besucher der Versammlung spendeten daraufhin fast die gesamte notwendige Summe, um Dr. Wirsing das Mandat zu erteilen.

Die Bürgerinitiative setzt aber nicht nur auf die rechtliche Schiene. "Wir werden auch weiterhin politisch aktiv bleiben", kündigte Dr. Breitfeld an, der selbst mit seiner Familie im Unteren Lauch in Böblingen wohnt. Neben Gesprächen mit Abgeordneten will er mit seinen Mitstreitern vor allem die Aussagen von Ministerpräsident Oettinger aufgreifen. Der hatte in Sindelfingen ein Spitzengespräch in Sachen Lärmschutz versprochen und gesagt, dass sich seine Regierung politisch an die Zusage einer Überdeckelung gebunden fühle, so sie einst gegeben worden sei (die SZ/BZ berichtete).

Hans Ambros, ehemaliger Böblinger Tiefbauamtsleiter, erinnerte an die Geschichte der Autobahn 81. So sei früher stets unter anderem von Bundesverkehrsministerium und Landesregierung eine Direktverbindung von Leonberg nach Gärtringen gewünscht und geplant worden. Erst heftiger Protest der Leonberger, die den starken Verkehr fürchteten, hätte einen Meinungsumschwung bewirkt.

"Unter anderem die früheren Oberbürgermeister Dr. Burger in Sindelfingen und Wolfgang Brumme in Böblingen wie auch der damalige Landrat Dr. Heeb haben stets gesagt, dass sie der neuen Trasse zwischen den Städten nur zustimmen, wenn sie überdeckelt würde." Das sei stillschweigend akzeptiert worden: "Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit der Politik, daran zu erinnern was damals gesprochen wurde."

Unterstützung erhalten die Anwohner auch in Berlin. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Florian Toncar hat die Bundesregierung zu ihren Plänen zur Überdeckelung der A 81 befragt: "Die Bürger müssen sobald als möglich Klarheit haben, ob die wünschenswerte Überdeckelung kommt. Ich erwarte, dass das Bundesverkehrsministerium endlich die Karten auf den Tisch legt."

Weitere Informationen auf der Seite www.leiseA81.de im Internet.


© 2006 SZ/BZ