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5.10.2005

"Gesundheit der Menschen schützen"

 

Böblingen/Sindelfingen: Böblinger Stadtverwaltung hält geplanten Lärmschutz beim sechsspurigen Autobahn -Ausbau für nicht ausreichend

Von Chefredakteur Hans-Jörg Zürn

"Die Menschen haben beim Ausbau der Autobahn Anspruch auf wirksamen Lärmschutz". Der Böblinger Gemeinderat lobte einhellig, dass die Verwaltung klar Position bezogen hat in einer Stellungnahme an das Regierungspräsidium. Darin heißt es unter anderem: "Solange die Mängel bei den geplanten Maßnahmen nicht ausgeräumt sind, besteht die Stadt auf einer Überdeckelung."

Die Bewohner des Sindelfinger Goldbergs sowie der Böblinger Wohngebiete Unteres Lauch, Oberes Lauch und Galgenberg fürchten, dass sie die großen Verlierer des Ausbaus sein werden (die SZ/BZ berichtete mehrfach). Schon jetzt überzieht ein ständiger Geräuschteppich von der Autobahn her diese Viertel und die Grenzwerte für Lärmschutz sind bereits häufig erreicht. Rollt der Verkehr erst einmal auf sechs Spuren, dann sei mit noch mehr Krach zu rechnen.

Das befürchtet auch die Verwaltung Böblingen. Das Amt für Stadtentwicklung und Städtebau sieht "erhebliche Mängel" in den Vorschlägen für den Lärmschutz. So seien einerseits Schall-Reflexionen, Windverhältnisse und das Verkehrsaufkommen nicht ausreichend berücksichtigt.

Zum anderen schlagen die Straßenplaner als wichtigste Maßnahme so genannten passiven Schallschutz wie etwa Lärmschutzfenster vor. Für die Anwohner hätte das zur Folge, dass sie beispielsweise im Sommer bei geschlossenen Fenstern schlafen müssten, um dem Krach zu entgehen. Keinen Schutz bieten solche Maßnahmen außerdem für den Aufenthalt im Freien auf der Terrasse oder im Garten. Die Stadtverwaltung hält es zudem für nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Wohngebiete zuerst gebaut wurden und danach die Autobahn.

Das würde jetzt einen besonderen Schutz der Menschen erfordern. Deshalb müssten die Planer weitere Möglichkeiten in Betracht ziehen, von einer vollständigen oder teilweisen Überdeckelung über gekrümmte Lärmschutzwände bis hin zu einer herkömmlichen Wand. "Solange diese Fragen nicht geklärt sind, muss die Stadt auf einen vollständigen Deckel bestehen, um die Wohngesundheit der Menschen zu sichern", heißt es in der Stellungnahme an das Regierungspräsidium.

Gemeinderat besichtigt Tunnel

Der Gemeinderat hat sich schon kundig gemacht und ein solches Bauwerk in Stuttgart-Neugereut angeschaut. Dort hat die Firma Züblin mit einer Lärmschutzdecke eine Alternative zu einem geschlossenen Tunnel gebaut. Die Konstruktion besteht aus Beton-Fertigteilen mit Öffnungen über den Seitenstreifen. Spezielle Lamellen verringern die Lärmbelästigungen. Gleichzeitig fällt Licht hinein und Abgase können entweichen. Berechnungen und Messungen ergaben, dass Anwohner teilweise nur ein Hundertstel des Lärmpegels hören wie an einer vergleichbaren offenen Straße.

Horst Widmann, Leiter des Technischen Büros Konstruktion bei Züblin, veranschlagt die Baukosten für eine sechsspurige Decke auf rund 30 Millionen Euro je Kilometer. Allerdings hat er den Abschnitt zwischen Böblingen und Sindelfingen noch nicht besichtigt.

Die Strecke zwischen der Brücke Sindelfinger Straße (bei Smart) bis zur Busbrücke am S-Bahn-Halt Goldberg misst rund einen Kilometer. Bisher nannten die Verkehrsplaner Kosten von 130 Millionen Euro für eine vollständige Überdeckelung der Autobahn.




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